¨Ich bin dann mal weg!¨

 

 

Wenn die Sonne scheint und ich am frühen Abend ein wenig unruhig durch die Wohnung tiegere, weiss meine Helga meistens schon Bescheid: Es juckt ihn wieder!

 

Wissen liegt dann im Blick meiner Lieben- und es überrascht dann niemanden, wenn ich den Schlüssel vom Schlüsselbrett nehme und mich mit den Worten "Ich bin dann mal eine Stunde weg " in Richtung Garage verabschiede! Dort steht nicht die brave Familienlimusine die eine Familie heutzutage gern hat, weil dies so vernünftig wäre, sondern ein mittlerweile 12 Jahre alter Roadster. Schon das enfernen der Staubhülle wie das öffnen des manuellen Verdecks wird zur Zeremonie, die nicht Mühsal ist, sondern zum Vergnügen meiner rituellen Abendrunde gehört. Die zwei Seitenscheiben per Knopfdruck absenken, das Verdeck ordentlich hinter im Kofferraum versorgen.

Gentelman start yor energie! Schlüssel rein, Starterknopf, wumm! Meine Abendrunde ist etwa 70 Km lang. Sie führt mich über kleine Landstrassen durch Wälder und Felder, meistens immer einen Berg hoch. Das ganze erstrahlt je nach Jahreszeit in anderen Farben, die Düfte ändern dauernd, gelegentlich auch streng riechend. Irgend wann im Verlaufe der Ausfahrt fällt die Hektik der letzten Tage von mir, kommt eine Harmonie ins Spiel des Lebens, die nur allzu schnell verloren geht, wenn in der Firma wieder die kleinen Katastrophen auf dich einprasseln oder es schlicht und einfach zu viel war in der letzten Woche.

 

Der kleine Vierzylinder dreht freudig hoch, die Sonne lässt den Lack glänzen, und der Wind zupft leise rauschend durch das Haar. Radio, CD bleiben heute aus den der Sound des Motors ist wie Musik auf meiner automobilen Wanderung durch meine Heimat zu mir selbst. Und dieser unglaubliche Sound, so viel Hühnerhaut gibts sonst nur am Güggeli- Grill an der Hauptstrasse, irgendwie hatte ich gerade vergessen das ich den kleinen heute nicht jagen will, doch das tönt, richtig, richtig böse!

 

Zwischen durch kann ich es nicht lassen und mein einziger Gegner der rechte Fuss vordert mich vor einem Kurvengeschlängel heraus und somit geht es recht flott um die Ecken! Wieso ich das schreibe? Nicht nur für mich ist die Beschäftigung mit einem Auto ideal, um abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Wichtig ist dabei, dass dieses Auto nicht für Alltagsfahrten genutzt wird, sondern den Status einer Liebhaberei innehat. Jahre haben wir gearbeitet, bis wir uns dies leisten konnten. Für Alltagsfahrten taugen Autos aus modernen Produktionen besser, alleine schon wegen der ungleichen höheren Sicherheit durch Airbag, ESP und Co. Sie Spielen die Rolle des Werkzeugs, um von A nach B zu kommen, ungleich perfekter.
Man nutzt sie meistens ohne grosse Emotionen, wie man auch einen Akuuschrauber, einen Rasenmäher oder PC nutzt, um alltägliche Aufgaben zu erledigen.

 

Die kleine Elise hingegen hat, richtig genutzt eine viel grössere emotionale Wucht. Attraktivität durch Verknappung gewissermassen. Ausfahrten mit ihm müssen den Status des Besonderen haben, damit sie ihre ganze entschleunigende Wirkung entfalten können. Dabei kommt es nicht darauf an, welches rollende Altmetall eines Motor-Maniacs diesen Status des Besonderen erhält. Jedes Auto, ob gross oder klein, teuer oder billig, kann zum Entschleuniger werden und dadurch Luxus sein.

 

Mit Sinn und Verstand nicht zu oft bewegt, erden sie uns den Umgang mit vor Jahrzenten entwickelter Technik, schärfen unsere Sinne für die schönen Momente im Leben. Das gelungene Zwischengas beim Gangwechsel in einem unsynchronisierten Getriebe, das zornige Hämmern bei hoher Last, das gelassene Wiegen der schwungvoll gezeichneten Karosserie auf schlechter Fahrbahn, das Kartfieling beim einlenken in eine Kehre oder schlicht die Freude darüber, dass das mittlerweile Ältere Gerät tatsächlich noch richtig vorwärts schiebt:

 

Dies alles sind Mosaiksteine im grossen Puzzle einer Lustfahrt, von der wir verwandelt und gelöst wieder nach Hause kommen.

Ich persöhnlich habe auch kein schlechtes Gewissen der Umwelt gegenüber, denn jeder ist unter dem grossen Strich ein Energieverschwender. Wer fährt etwa mit dem Fahrrad zum Golfplatz oder zum Gebirgswandern? Rudert der Nachbar am Wochenende über den See, oder schmeisst er den Bootsmotor an?

 

Und die Zigtausende von Fussballfans, die jedes Wochenende in die Stadien strömem- kommen die etwa zu Fuss? Jeder verbrennt beinahe täglich ganz überflüssig Benzin und wird so zum CO2-Erzeuger. Und wenn wir schon bei Treibhausgasen sind, was ist eigentlich mit den Millionen Tonnen Methan, die unsere Wiederkäuer in die Atmosphäre flatulieren- essen wir desshalb kein Rindfleisch mehr? Silvester- Feuerwerk? Grillen? Was Feinstaub angeht, spielen diese Dinge in einer ganz anderen Liga als das bisschen Von- A - nach - B Fahren , wie wir Auto- Enthusiasten es praktizieren.

 

Wir sollten uns den Luxus unserer motorisierten Hobbys also ohne schlechtes Umweltgewissen gönnen! Der noramale Verkehrsalltag hat da nähmlich ganz ander Dimensionen, ohne das unsere Regierung durch Infrastrukturmassnahmen erkennbar an einer Lösung arbeiten würde. Zig Millionen Liter verschwenden Schweizer Autofahrer pro Jahr im Autobahnstau. Da kommt es auf ein die sieben Literchen, die ich auf meiner Abendrunde genüsslich durch die Brennräume gejubelt habe, wohl auch nicht mehr an.

 

 

Hallo Helga, bin wieder da, was machen wir heute Abend?